
Das steirische Kürbiskernöl – auch Kernöl genannt
Es war schon eine Begegnung der besonderen Art, als ich meine ersten Annäherungsversuche mit dem steirischen Kürbiskernöl, auch Kernöl genannt, machte. Ich kannte dieses leicht dickflüssige, sehr dunkle, grünliche Salatöl nämlich nicht. Mit meiner anerzogenen Skepsis träufelte ich bei der ersten Begegnung mit ihm nach einigem Zögern eine äußerst geringe Dosis davon auf den Salat, wie er mir in bekannter Art und Weise zubereiteten worden war.
Aber es reichte aus, um die Geschmacksrichtung zumindest ansatzweise zu erkennen:
Sie tendiert ins Nussige, ist einzigartig und recht intensiv. Fortan vergrößerte ich die Dosen, die ich den diversen Salaten zugeführt hatte langsam aber sicher, da ich mehr und mehr Gefallen an diesen neuen, fast betörenden Geschmacksnuancen fand.
Das Kernöl wird in der Steiermark seit dem 18. Jahrhundert hergestellt und fristete selbst in Österreich bis in das spätere 20. Jahrhundert ein auf die Südsteiermark beschränktes Nischendasein. Die Südsteiermark wird ja auch als Toskana der Steiermark tituliert und das nicht zu unrecht. Malerische Hügel mit kleinen Dörfern und an jeder Ecke eine Buschenschank, so heißen in der Steiermarkt die Wirtschaften, in denen die Winzer den eigenen Wein ausschenken dürfen und dazu exzellente regionale Speisen anbieten – zum größten Teil selbst Hergestelltes.
In unseren Breitengraden war bis vor ein paar Jahren dieses Öl für die geschmackliche Bereicherung von Salaten noch relativ unbekannt. Erst als ein bekannter österreichischer Koch dieses Öl zur Verfeinerung seiner Gerichte – und hier auch speziell der Salate – verwendete und auch namentlich erwähnte, hat es auch in den deutschen Haushalten Einzug gehalten. Heute findet man das Kernöl sogar in den großen Discountern bei den stets wechselnden Themenwochen und es hat bei Markendiskountern seinen Stammplatz gefunden. Leider oftmals in fragwürdiger Qualität.
Wenn die großen Garten-Kürbisse im Herbst von einem grünlichen Farbton in einen warmen, satten gelblichen wechseln sind sie so weit gereift, dass die darin befindlichen Kerne geerntet werden können. Die massigen Feldfrüchte erreichen ein Gewicht von bis zu 10 Kilogramm und je größer sie sind, umso mehr Kerne können aus ihnen gewonnen werden, welche in mühevoller Handarbeit aus dem Fruchtfleisch gepult werden. Die Kürbisse wachsen auf dem steirischen Boden deshalb so gut, weil die Böden sandig-lehmig sind und das pannonische Klima sich durch Wärme und Feuchtigkeit auszeichnet. Eine nahezu perfekte Voraussetzungen für den Kürbisanbau. Die Besonderheit des steirischen Kürbisses ist die Beschaffenheit der Kerne: Durch genetische Mutation im ausgehenden 19. Jahrhundert waren die Kerne nicht mehr von einer verholzten Schale umgeben, welche mühsam und zeitintensiv entfernt werden musste, sondern sie wurden nur von einem dünnen Häutchen umschlossen, das sich sehr leicht entfernen lässt. Zudem besitzen diese Kerne einen Ölanteil von über 50 Prozent.
Nachdem die Kerne aus dem Fruchtfleisch gewonnen wurden, werden sie getrocknet. Nach der Trocknungsphase werden sie in einer der zahlreichen steirischen Ölmühlen gemahlen, und die geschroteten Kürbiskerne werden in dem folgenden Arbeitsschritt mit Wasser und Salz zu einem dickflüssigen Brei vermengt – dem sogenannten Ölmehl. Danach steht der Röstvorgang an, hierbei wird das Ölmehl in der Röstpfanne erhitzt, damit das Wasser verdunsten kann. Diese bröselige Masse – auch Ölsterz oder Ölkuchen genannt – wird im folgenden Arbeitsschritt gepresst und aus dem Ausflussrohr der Presse kommt das dunkelgrüne, fast schon ins Schwarz gehende Öl heraus. Aus ca. 30 Kilogramm Ölsterz oder Ölkuchen können bis zu 10 Liter Kernöl gewonnen werden, das entspricht grob geschätzt etwa 35 Kürbissen. Der Ölsterz findet nach dem Auspressen noch seine Abnehmer, seien es die Bauern, die ihn gerne als Tierfutter einsetzen oder Konditoreien, die den Ölsterz als Grundlage für den Teig des Kürbiskuchens verwenden.
Das frisch gepresste Kernöl wird noch einige Tage gelagert, damit sich die darin befindlichen Schwebstoffe absetzen können, danach wird es für den Verkauf in Flaschen abgefüllt.
Im Gegensatz zum Olivenöl werden die Kerne nach der Ernte nicht sofort komplett zu Öl gepresst, da das wohlschmeckenden Kürbiskernöl nur über eine begrenzte Haltbarkeit von etwa 9 Monaten verfügt. Es verdirbt zwar nach dieser Zeit nicht gleich, zumal wenn man es im Kühlschrank lagert, aber es büßt an Geschmack ein – und solches wollen die genussfreudigen Steirer stets verhindern! Dadurch, dass die getrockneten Kerne lange aufbewahrt werden können, ist es den bäuerlichen Herstellern möglich, das ganze Jahr über frisch gepresstes Kernöl anzubieten.
Das Kürbiskernöl ist nicht nur eine äußerst delikate und geschmackvolle Beigabe zu Salaten sowie zu speziellen Speisen, das bei keinem typischen Essen in der Steiermark fehlen darf. Es hat auch nachweislich Eigenschaften, die der Gesundheit äußerst zuträglich sind. Arteriosklerose, Prostataleiden, hoher Blutdruck und Blasenleiden sind nur einige der hier exemplarisch genannten Unpässlichkeiten, welche durch den Verzehr des Öls gemindert werden sollen. Wobei auch noch angemerkt werden darf, dass gerade die steirischen Herren äußerst selten an Prostataleiden erkranken!
Angebotssituation
Das Angebot kann als ausreichend bezeichnet werden, jedoch lässt sich der Ernteertrag nicht vorherbestimmen. In manchen Jahren kann es sein, dass er geringer als sonst ausfällt, was sich dann im Preis niederschlägt.
Wo Licht ist, ist auch Schatten: Den derzeitigen Run auf das Kernöl machen sich auch nicht ganz so korrekte Hersteller – ich möchte jetzt nicht das unschöne Wort dubios verwenden – zu Nutze. Sie verwenden Öle aus anderen Regionen und verkaufen es dann unter dem Label „Steirisches Kürbiskernöl“. Sie können das original Steirische Kernöl (oder Kürbiskernöl) an dem Zusatz g.g.A. (geschützte geografische Angabe) und einer Prüfnummer erkennen. Viele Bauern verkaufen die Öle auch direkt ab Hof oder auf einem der zahlreichen Bauernmärkte in Graz und der übrigen Steiermark. Hier bekommen sie es direkt vom Hersteller und sie können sicher sein, da ist reinstes steirisches Kernöl drin! Mittlerweile gibt es das Öl in einer Vielzahl von Einzelhandelsgeschäften, nicht nur (wie früher) in ausgesuchten Feinkostgeschäften.
KLASSIK Lust Profil
Das steirische Kernöl ist traditionsgemäß der „natürliche Geschmacksverstärker bzw. -bereicherer“ für alles Salatige – nicht erst seit es die Slow Food Bewegung als ideale Ergänzung für allerlei Salate entdeckt hat und es ein zu Ruhm und Ehren gekommener Fernsehkoch aus der Steiermark protegierte. Es sollte jedoch nicht erhitzt werden, deshalb eignet es sich nicht zum Kochen oder Braten.
Gelegentlich lässt es sich nicht vermeiden, dass man bei der Speisenaufnahme einen Spritzer Kürbiskernöl auf das gerade frisch angezogene, weiße Hemd abbekommt. Es zeichnet sich ein dunkelgrüner Fleck ab und die Hausfrau unkt sofort: „Das geht nimmer mehr raus!“ Womit sie Recht hat, wenn sie das Malheur mittels Waschen zu entfernen versucht. Doch es gibt eine bewährte und kostengünstige Lösung: Einige Stunden in die Sonne legen und der Fleck ist verschwunden! Kernöl ist zwar echt, aber nicht lichtecht…
Einen weiteren Artikel über die Herstellung von Kernöl finden Sie in der Klassik Lust hier:
Ölmühle Hartlieb – wo das Kürbiskernöl entsteht
Text: Ulrich Bänsch
Fotos: Ursa Wolf, Ulrich Bänsch