
Ölmühle Hartlieb – Wo das Kürbiskernöl entsteht
Kürbiskernöl – fast könnte man sagen, dieser äußerst delikate Speisenzusatz ist so etwas wie ein steirisches Kulturgut. Wer jemals auf den Geschmack gekommen ist, der verwendet für die meisten seiner Salate ausschließlich dieses unvergleichlich geschmackvolle, dunkelgrüne Öl aus dem südöstlich gelegenen Anbaugebiet Österreichs.

Das unvergleichliche steirische Kernöl (Kürbiskernöl) und das Olivenöl von Oliven aus der kleinen aber feinen Plantage von Giancarlo Vanni aus San Michele al Torri in der oberen Toskana. Verfeinern jede Speise
Um den Kernen der reifen Kürbisse dieses wohlschmeckende und auch gesunde Öl zu entlocken, sind entsprechende Gerätschaften zum Pressen und Verarbeiten notwendig. Einige Bauernbetriebe führen dies auf dem heimischen Hof durch – so es sich um überschaubare Mengen handelt, sei es für den Eigengebrauch oder wenn es um den Verkauf auf Bauernmärkten geht. Wenn es jedoch um größere Dimensionen geht, dann ist eine leistungsstarke Ölmühle gefragt. Eine solche haben wir in Heimschuh in der Südsteiermark – keine 45 Kilometer südlich von der steirischen Hauptstadt Graz entfernt im Bezirk Leibnitz – gefunden. Die Ölmühle Hartlieb hat sich in den letzten Jahrzehnten ganz der Ölherstellung verschrieben. Das Kernöl nimmt den größten Teil der Produktion an Ölen ein, die in der modernen Röst-, Press- und Abfüllanlage verarbeitet werden.

Die Ölmühle Hartlieb – erste Adresse für Kürbiskernöl und naturbelassene Öle in Heimschuh nahe Leibnitz in der südlichen Steiermark
Das Eindrucksvollste an dieser Ölmühle ist – neben dem sehr geschmackvoll gestalteten Laden, in dem außer den Ölen auch Spezialitäten des „Naturparks südsteirische Weinstraße“ feilgeboten werden – im ersten Stock auf dem ehemaligen Mühlenboden beheimatet: Eine Sammlung von alten Mühlen und Gerätschaften, die in einem kleinen, aber feinen Museum den Besuchern dargeboten wird. Hier können die Interessenten sehen, wie in früheren Jahrzehnten die Kernölproduktion vonstatten ging. Mühselig, im Vergleich zu den heutigen Produktionsmethoden. In dem Kernöl-Museum wird auch die Geschichte des Berufes des Ölmüllers anschaulich dargestellt. Haben Sie sich als Besucher im Vorfeld angekündigt, bekommen Sie eine kompetente, freundliche Führung mit abschließender Kernöl-Degustation.
Man könnte meinen, Kernöl schmecke von jedem Bauern in der Gegend gleich, jedoch es sind die kleinen, aber feinen Unterschiede, welche die geschmacklichen Nuancen erzeugen – das schafft man nur mit jahrzehntelanger Erfahrung und Liebe zur Sache. Mit welchem Trocknungsgrad der Kerne diese geröstet werden, die Dauer der Röstung etc. – es sind viele kleine Bausteine, welche die geschmackliche Differenzierung und die Raffinesse hervorbringen.

Mühle aus Metall mit einem Steinmahlwerk. Die „Panther-Mühle“ war ein vielfach verwendeter Maschinentyp und wurde speziell zum Vermahlen von Kürbiskernen gebaut. Steinmühlen bringen zwar ein gutes Mahlergebnis, sind allerdings wartungsaufwändig und schwer zu reinigen. In manchen Ölmühlen ist dieser Typ auch heute noch im Einsatz. Bei der Ölmühle Hartlieb wurde diese Mühle im Jahr 1983 außer Betrieb genommen

Dieses Stück ist eine besondere Rarität: In diesem Knettrog (Multer) wurden die vermahlenen Kürbiskerne mit Wasser und Salz händisch verknetet. Dies war zumeist die Arbeit von Frauen, im speziellen der Mägde. Da der zähe Kernbrei das Wasser nur schwer aufnimmt, war dies eine besonders anstrengende Tätigkeit
Die heutige Ölmühle Hartlieb hat ihren Ursprung im Jahre 1898, als hier noch das Getreide der umliegenden Bauern gemahlen wurde. 1907 übernahm Karl Hartlieb – welcher ein Müllermeister aus Oberradkersburg war und der ein Vorfahr des heutigen Geschäftsführers Thomas Hartlieb ist – den in monetäre Schwierigkeiten geratenen Betrieb. Da die Mühle an der Sulm liegt, machten die Eigentümer sich die Wasserkraft als Energielieferant zunutze und so war auch ein Sägewerk viele Jahre ein wesentlicher Teil des finanziellen Auskommens. Die Sulm war nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch. Zahlreiche Hochwasser – oft mehrmals im Jahr – sorgten zeitweise für tragische Momente, bis in den Jahren 2001/2002 bauliche Maßnahmen den Anwohnern endlich die nötige Sicherheit verschaffte.

Eine Röstpfanne auf einem – nicht ganz originalen – Röstofen. Die Pfanne stammt aus dem Jahre 1910. Der gemahlene und mit Wasser verknetete Kernbrei wurde unter ständigem Rühren „geröstet“, wobei der Ölpresser vor allem auf die richtige Temperatur achten musste.

Dieser Röstofen wurde 1957 in Betrieb genommen und verrichtete bis 2005 bei der Ölmühle Hartlieb seinen Dienst. Die Pfanne aus Gusseisen wiegt ca. 400 kg, beheizt wurde mit Holz und Kohle. Das Heizen erforderte sehr viel Erfahrung, um eine gleichmäßige Temperatur zu erreichen – und dies ohne Thermometer zur Kontrolle! Durch das Rührwerk fiel die händische Rührarbeit größtenteils weg. Röstdauer für 45 kg: ca. 35 bis 40 Minuten

… und mit kräftigen Holzhammerschlägen wurde die Hebelwirkung trefflich ausgenutzt. Die Ausbeute des Pressergebnisses ist den heutigen modernen Produktionsverfahren – fast – ebenbürtig
1957 erkannte Albin Hartlieb das Potenzial der Ölmühle, wobei sie bis dahin nur einen Nebenerwerb darstellte und vorwiegend in den ruhigeren Wintermonaten betrieben wurde. Er setzte neue Maßstäbe und modernisierte die Ölgewinnung. Das – über die Jahrzehnte gesammelte – Wissen und Können fließt in die heutigen, modernen Produktionsprozesse mit ein und ermöglichen den sehr hohen Qualitätsanspruch der Ölmühle Hartlieb.
Als eine Art Initialzündung für den weiteren Ausbau der Ölmüllerei kann das Jahr 1990 angesehen werden. Damals fand in der steirischen Marktgemeinde Gamlitz die Landesausstellung „Wein Kultur“ statt und in dessen Rahmenprogramm stellte die Familie Hartlieb in einem Nachbargebäude eine kleine Ausstellung über Mühlen und die Herstellung von Kürbiskernöl zusammen. Der Erfolg war phänomenal, konnten das Publikum doch sehen, wie speziell dieses Öl hergestellt wird. Von den geernteten Kürbissen, dem mühseligen Herausfingern der Kürbiskerne, vom Rösten bis hin zum Pressen und Gewinnen dieses äußerst delikaten Öls erzählte die Schau. Die Besucher bekamen einen völlig neuen Bezug zu dieser – nach Altöl aussehenden – steirischen Delikatesse. Für die Steirer war das natürlich nichts Neues, aber für die aus der Ferne angereisten Besucher, die das Kernöl noch nicht kannten, begann eine völlig neue Sichtweise auf diese nussige Geschmacksvielfalt. Sie verkosteten.. und mit jedem neuen Gast der Ausstellung stieg die Fangemeinde dieses – bis dahin ein wenig im Verborgenen genossenen – Geschmacksjuwels.
Im Jahr 2004 wurde mit einem Neubau der Ölmühle begonnen, welche dann im Jahr 2005 ihren Betrieb aufnehmen konnte. Es werden die strengen Auflagen seitens der Behörden in Bezug auf die Hygieneanforderungen im Lebensmittelbereich erfüllt. Bis 2006 war das Sägewerk der Hauptbestandteil der Hartlieb´schen Erwerbstätigkeit.
21 naturbelassene Öle hat die Ölmühle Hartlieb GmbH in ihrem Produktportfolio, welche in den unterschiedlichsten Flaschengrößen in dem Ladengeschäft angeboten werden. Neben dem Kürbiskernöl gibt es Traubenkern-, Walnuss-, Distel-, Lein-, Hanf-, Sonnenblumenkern-, Raps-, Mohn-, Haselnuss-, Mandel-, Marillenkern-, Erdmandel-, Sesam-, Pistazien-, Pinien-, Erdnuss-, Macadamianuss-, Leindotter-, Argan- und Olivenöl. Aber nicht nur die Öle, sondern auch erlesene Essigsorten, Knabberkerne, Naturmehle bis hin zu Kürbissenf und Kürbiskernpesto bieten einen geschmacklichen Spannungsbogen rund um die heimischen Produkte der Südsteiermark. Die Öle zeichnen sich durch eine besonders aromatische Geschmacksvielfalt aus, mit denen der Benutzer kreativ Speisen veredeln kann, ohne dass die Öle von den Geschmacksnuancen her eine dominante Rolle übernehmen. Vielfältiger Geschmack gepaart mit einer Natürlichkeit, die man sonst nur schwerlich finden kann.
Die Kreativität der Bauern und der Produzenten kennt in dieser Gegend keine Grenzen, wenn sie sich einmal einer Spezialität angenommen haben – man spürt ihre stolze Freude, ihre Begeisterung und ihre Gewissenhaftigkeit. Dass alle Produkte den ökologischen Standards entsprechen, ist für Thomas Hartlieb eine Selbstverständlichkeit und soll hier nur der Vollständigkeit halber Erwähnung finden.
Etwa 200 Tonnen Kürbiskerne werden pro Jahr in der Ölmühle Hartlieb verarbeitet, davon werden etwa 75% als Dienstleister und Lohnfertiger für die örtlichen Bauern gepresst, wenn diese ihre Kürbiskerne zu Kernöl verarbeiten lassen. Durch die strenge Chargenproduktion bekommt jeder Anlieferer immer das Öl aus seiner eigenen Ernte.
Woran kann man den Erfolg eines Unternehmens erkennen? Nicht nur an seinen Bilanzen und der monetären Gesundheit, sondern vielmehr an der Zufriedenheit des Unternehmers und seiner MitarbeiterInnen. Die gewachsene Struktur des Betriebes, die Nachhaltigkeit und die Qualität der Produkte geben den Menschen Sicherheit und machen glücklich – das zeigt sich hier in Heimschuh ganz deutlich…
Die Ölmühle Hartlieb ist auch von unternehmerisch betrachteter Seite her äußerst interessant: Es wird mit den Rohstoffen, die uns die Mutter Erde schenkt, verantwortungsvoll umgegangen, es werden nur die besten Rohstoffe verwendet und zu fairen Preisen dort eingekauft, wo sie schon seit Alters her angebaut werden. Es sind unverfälschte Produkte, welche ökologisch angebaut und sorgfältig weiterverarbeitet werden. Und – es ist eine „organisch gewachsene Ölmüllerei“, ohne überdimensionierte Businesspläne, strategische Wachstumsprognosen und ohne sonstigem betriebswirtschaftlichen Unkraut. Natürlich, solche Hilfsmittel sind in der Unternehmensführung unabdingbar, aber bitte in homöopathischen Dosen.

So sieht es heute in der Mühle aus. Die für den Menschen schwere Arbeit wird heute durch einen Maschinenpark ersetzt. Das Ergebnis: Allererste Güte!
Neun MitarbeiterInnen beschäftigt Herr Hartlieb derzeit – wobei viele der Beschäftigen dem Betrieb bis zur Pensionierung die Treue halten.
Klassik Lust-Profil
In Vergessenheit geratene, oder streng regional verortete Ölsorten zu entdecken und sie dem Verbraucher heute anzubieten, es ist mitunter ein Wagnis – da man nie weiß, wie solche „neuen“, sprich ungewohnten Geschmacksvarianten vom Kunden angenommen werden. Aber es ist genau das, was innovative Unternehmer mit einem nötigen Fingerspitzengefühl auszeichnet. Und: ein wenig Glück gehört auch dazu, um aus etwas „Vergessenem“ einen Erfolg zu machen.
In der vierten Generation wird dieses Familienunternehmen bis heute betrieben und man kann dieser Ölmühle nur wünschen, dass sie auch noch in den kommenden Generationen mit der entsprechenden Nachhaltigkeit und Begeisterung weitergeführt wird.
Fast schon ein Vorzeigeunternehmen.
Einen weiteren Artikel über das Kernöl finden sie in der Klassik Lust auch hier:
Das steirische Kürbiskernöl – auch Kernöl genannt
Und hier noch einige Impressionen:
Text & Fotos: Ulrich Bänsch