Verspiegelte Sonnenbrille, breites Grinsen. Wenn Andy Wallace morgens zur Arbeit kommt, hat er stets gute Laune. Der ehemalige Le-Mans-Gewinner testet Bugatti-Fahrzeuge wie den Chiron1 und fährt regelmäßig Prototypen. Der Brite stellte außerdem vor ein paar Tagen mit dem Chiron den Weltrekord für Höchstgeschwindigkeiten auf und fuhr als Erster überhaupt mit einem Serienauto mehr als 300 Meilen pro Stunde.
Wenn Andy Wallace in einen neuen Chiron einsteigt, stellt er zuerst Sitz und Lenkrad auf seine Größe ein, drückt anschließend den Startknopf am Lenkrad. Etwa fünf Minuten benötigt der Chiron, um richtig warm zu werden. Erst wenn die Reifen eine Temperatur von 25 Grad haben, bieten sie optimale Traktion. „Nur so haben wir vollen Grip, können die 1.600 Newtonmeter Drehmoment auf die Straße bringen.“
Der Brite muss es wissen: Seit 2011 testet er Bugatti-Fahrzeuge, führt Kunden an die Grenzen der Fahrphysik. Über 100.000 Kilometer hat er bereits mit den Luxus-Supersportwagen aus Molsheim zurückgelegt, auf rund 30 verschiedenen Veyron, Chiron, Divo und einigen Versuchsträgern und sowie Rekordfahrzeugen. Er kennt die Hypersportwagen, die Feinheiten, die Raffinessen und die Besonderheiten. „Ich sorge dafür, dass die erste Fahrt mit dem Auto absolut sicher ist, dass sich die Kunden direkt wohlfühlen“, sagt er.
Ein Profi durch und durch
Der 58-jährige Testfahrer ist ein Profi durch und durch. Mehr als 30 Jahre lang griff er als Rennfahrer ins Lenkrad. Beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans und Daytona startete er jeweils 21 Mal, wobei er den Langstreckenklassiker einmal, Daytona dreimal gewann. Das 12-Stunden-Rennen in Sebring fuhr er 19 Mal, zweimal siegte er. Wallace ist ein Mann der Langstrecke – mit einem sensiblen Gasfuß. Seit 2006 coacht er andere Fahrer auf ihren Autos, gibt sein Wissen und Können weiter und unterstützt Bugatti-Entwickler bei ihrer Arbeit.
Schon 1986 knüpfte er in der Formel 3 Kontakt zum Motorenhersteller Volkswagen, fuhr später Rennwagen von Audi und Bentley, unter anderem in Le Mans. Als 2011 Bugatti Automobiles S.A.S. einen offiziellen Testfahrer sucht, erinnern sich ehemalige Renningenieure an den zuverlässigen, zurückhaltenden und präzisen Fahrer Andy Wallace. „Eigentlich dachte ich, dass ich nach meiner Rennfahrer-Karriere nicht mehr in leistungsstarken Fahrzeugen sitzen würde. Aber dann kam Bugatti mit einem Angebot, dass ich nicht ablehnen konnte“, schmunzelt Andy Wallace. Denn Chiron und Divo sind in fast allen Bereichen stärker und schneller als seine damaligen Rennwagen.
Für ihn ist es ein Privileg, regelmäßig die Modelle von Bugatti zu fahren. „Seit ich fünf Jahre alt bin, bin ich verrückt nach Autos. Mit acht Jahren sah ich mein erstes Autorennen, anschließend fuhr ich 33 Jahre Rennen. Und jetzt habe ich die Möglichkeit, so tolle Autos zu fahren, mit dieser unvergleichbaren Beschleunigungskraft, eingebettet in einem wahren Luxusauto. Als Rennfahrer liebe ich natürlich die Geschwindigkeit, die Querkräfte“, sagt er. Dazu komme noch der schöne Produktionsort in Molsheim und die nette Mannschaft. Jeder Tag in Molsheim sei für ihn ein Vergnügen.
Wallace liebt die Hypersportwagen, die zwar mehr Leistung als seine Rennwagen haben, aber doch so anders sind. „Die Beschleunigung eines Chiron ist mit nichts anderem vergleichbar. Von 0 auf 100 km/h rennt der Chiron in 2,4 Sekunden, bis 200 km/h vergehen keine 6,1 Sekunden und bis 300 km/h nur 13,1 Sekunden. Dazwischen gibt es kein Leistungsloch, die totale Überraschung“, sagt Wallace. Die Beschleunigung testet er auf der Start- und Landebahn des Flughafens Colmar in der Nähe von Molsheim oder auf einem Hochgeschwindigkeitsoval im niedersächsischen Ehra-Lessien. Dort, wo er auch den Geschwindigkeitsrekord brach.