
Concorso d’Eleganza – Sinfonien in Blech
Wer einen erlesen Oldtimer sein Eigen nennt, der erwartet sie sehnsüchtig: Die Einladung zum CONCORSO D’ELEGANZA in die malerische Villa d’Este am Comer See. Mit diesem Ritterschlag gehört der Erwählte nicht nur zum erlauchten Kreis der noblen Oldtimer-Aristokratie, man kann sich zugleich über eine deutliche Wertsteigerung seines alten Blechgefährts freuen
So stellt man sich das gemeinhin vor: Schöne junge Menschen servieren schön gealterten Menschen in schöner Umgebung schön gekühlte Getränke. Perlende Champagner-Gläser funkeln in der milden Frühjahrssonne mit poliertem Blech noch schöner um die Wette. Kies knirscht unter mächtigen Diagonal-Reifen, Vierrad-Schönheiten verdrehen einem auf penibel gestutztem Zierrasen gleich dutzendweise den Kopf. Chromblitze zucken durchs Hirn, glutrote Farberuptionen fluten die Augäpfel, Schwindelattacken lassen den gepflegten Kulturboden kreisen. Am besten gleich noch ein Glas Champagner.

Dösen in der Mittagshitze. Vierbeinige Klassik-Freunde schätzen noble Karossen vor allem als Schattenspender

Prototypen, Designstudien, Einzelstücke. Jedes Frühjahr gibt es ein Stelldichein außergewöhnlicher Vierradschätze auf dem Areal der Villa d’Este am Comer See. Zutritt nur für geladene Gäste

Fast so erotisch wie der berühmte Blick durchs Schlüsselloch: Motorraumerlebnis in Gestalt eines 1956er Maserati A6G. Reihen-Sechszylinder mit knapp zwei Litern Hubraum
Ja, das Leben kann schön sein, besonders für die Gäste der edlen Luxusherberge in Cernobbio am Comer See. Den imaginären Blick nach Süden gerichtet, hin zu den Traditionsstätten der schnellen Motoren: Modena, Turin, Milano. Und auf dem Hacken gedreht, in Gedanken gleich ein Stückchen hinauf nach Norden, wo man im Land der diskret geführten Konten gerne all jene Schätze aus italienischer Produktion in nicht minder diskret gestaltete Gründstückszufahren einführt wie das Trüffenschnittchen in den schlemmenden Rachen.

Der Name Opel fand sich dereinst auch auf Motorrädern wieder. Diese höchst elegante Motoclub Supersport aus dem Jahr 1929 wurde von Ernst Neumann-Neander konstruiert und auch unter dem Namen Neander angeboten. Opel übernahm die für die damaligen Verhältnisse außergewöhnlich modern gestaltete Maschine. Nachdem General Motors 1930 die Rüsselsheimer Marke akquiriert hatte, wurde die Motorradproduktion gestoppt. Dieses herrliche Exemplar gehört dem deutschen Sammler Matthias Hühn

Gleich neben der Villa d’Este liegt die Villa Erba. Auf dem großzügigen Areal finden seit einigen Jahren auch außergewöhnliche Motorradschätze ihre Ausstellungsbühne. Die englische Brough Superior SS 100 gilt als eine Art Rolls Royce innerhalb der historischen Zweirad-Landschaft. In jüngerer Zeit gibt es Bestrebungen, die Marke mit komplett neu entwickelten Motorrädern zu revitalisieren
Der Ort könnte also nicht passender sein, und er hat Tradition. Bereits 1929 präsentierten die besten Karosserieschneider Welt der zumeist hochwohl geborenen Kundschaft auf dem geweihten Boden der Villa d’Este ihre metallenen Werke. Eine Modenschau der Vierradbaukunst, als es noch üblich war, über Serienfahrgestelle elegant gedengeltes Blech wie einen fließenden Stoff zu werfen.

Mondäne Eleganz aus einer Zeit, als es noch Karosserieschneider gab, deren Namen alleine wie Musik klangen. Etwa Mario Revelli de Beaumont, den Kenner der Materie für einen der besten Karosserie-Designer aller Zeiten halten
Heute ist der Concorso d’Eleganza DIE Oldtimer-Veranstaltung im alten Europa. High End für altes Blech. Allenfalls das Schaulaufen am amerikanischen Pebble Beach genießt einen ähnlichen, aber nicht den gleichen Status. Wer es mit seinem Fahrzeug in die Villa d’Este geschafft hat, der hat es in Abwandlung des alten Sinatra-Songs überall auf der Welt geschafft. Ganz besonders dann, wenn er für seine rollende Schönheit von der Jury noch einen der begehrten Preise zugesprochen bekommt. Bewerben kann sich jeder, sofern er geeignetes Material in der Garage hütet. Ob er schließlich eingeladen wird, entscheidet das Concorso-Komitee.

Corrado Lopresto (rechts) ist Sammler mit äußerst sicherem Geschmacksinn. Der italienische Architekt hütet mittlerweile eine weltweit beachtete Sammlung automobiler Kostbarkeiten. Mit seinem 1931er Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport, dessen windschnittige Karosse von Revelli de Beaumont gestaltet wurde, holte er sich 2014 den dicksten Pokal beim Concorso. Womit er den „Coppa d’Oro“ bereits zum vierten Mal für einen seiner Wagen erhalten hat
Seit 2005 ist BMW als Hauptsponsor mit von der Partie. Mit dem nötigen Fingerspitzengefühl justieren die Münchner die Veranstaltung für ein breiteres Publikum dezent nach. In der benachbarten Villa Erba kann das Eintritt zahlende Oldtimer-Fußvolk seit einigen Jahren nicht nur die Vierrad-Eleganzia bewundern, sondern auch motorrädrige Schönheiten. Am Samstag jedoch bleibt die Gesellschaft der High End-Automobilisten beim Schaurollen bekanntlich im eng und steil geschnittenen Außenbereich der Villa d’Este unter sich. Nur für geladene Gäste. Am Sonntag zeigen sich aber auch die Vierrad-Perlen auf dem wesentlich großzügigeren Wiesengelände der Villa Erba der Allgemeinheit. Für alle Benzinblütler beginnt dann ein Hochamt der motorisierten Herrlichkeiten. Ihrer Frau können Sie ja sagen, dass der Mai ideale Reisezeit für einen Trip an den Comer See sei. Auch mit einem gepflegten Zweier-Golf.

Lichtspiel mit Speichenrad. Für solche Einblicke reist der Kenner an den Comer See. Am besten ganz stilecht mit einer analogen Kamera. Dieses Foto entstand mit einer Leica M3 samt 50er Summicron
Tipp für alle Neuinteressierten: Der Tübinger Oldtimer-Museumsbetreiber Rainer Klink bietet Busreisen zum Concorso d’Eleganza an. Kompetente Begleitinformationen sind garantiert. Informationen: www.boxenstop-tuebingen.de.
Text und Fotos: Jo Soppa
Ein Kommentar
Danke für diesen Artikel. Die Fotos: da möchte man gleich hineinsteigen:
Super! macht weiter so!!!!!