
Motor Klassik Nr. 1 von 1984
Es war einer dieser trüben Spätsommertage des Jahres 1984 – ich erinnere mich noch ziemlich genau an diesen entscheidenden Moment – da war ich von einer dieser unsäglich trockenen Vorlesungen an der Esslinger Fachhochschule für Technik – dem legendären Stall – auf dem Heimweg nach Stuttgart. Auf dem Fußweg von dieser höheren Bildungsanstalt zu dem S-Bahnhof in Esslingen musste ich einen Zeitschriftenkiosk konsultieren um mir eine Schachtel Zigaretten zu kaufen.
Da es den Menschen so zueigen ist, dass er – wenn vor ihm ein anderer Kunde bedient wird – immer schaut, was es auf dem Zeitschriftenmarkt so Neues gibt. Von der Zeit her lag ich gut im Rahmen, da das Nahverkehrsmittel erst in geraumer Zeit abzufahren gedachte. Mein bevorzugtes Forschungsobjekt waren die Auslagen an denen es Auto- und Motorradpublikationen gab. Und was sah ich? Ein neues Oldtimer Magazin! Auf den ersten Blick stach es aus den mir bekannten Szeneblättern deutlich hervor. Ich kannte es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht – woher auch, es war ja funkelnagelneu – und so wurde dieses Printmedium flugs neben der obligatorischen Schachtel Zigaretten gekauft. In der S-Bahn wurde es sogleich grob überflogen – und ich war hellauf begeistert. Zum Teil in Vierfarbdruck, exzellent geschrieben – kurz es war brillant und stach aus den damals nicht reich gesäten Oldtimerheften deutlich hervor. Welch eine Bereicherung in diesem Segment der Printmedien!
Zu dieser Zeit kaufte ich alle diese einschlägigen Publikationen, da ich von dem Virus Automobil hemmungslos befallen war, speziell des Alteisens. Diese Strömung war in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts noch eine eher kleine und überschaubare Szene und so lechzten die Suchtler förmlich immer wieder nach neuem Stoff bedruckten Papiers. Der damalige Zeitschriftenmarkt war noch nicht so inflationär überwuchert und jede auch noch so kleinen Nische mit einem Magazin besetzt, folglich wurde jedes neue Heft von den Angefressenen immer dankbar aufgenommen.

In der Anfangszeit wurde die Zweiradfraktion mit erlebnisreichen Artikeln beglückt. Kurzweilige, spannende und durchaus auch herzhaft zum Schmunzelnde Schriftstücke
Was gab es? Den „Markt für klassische Automobile und Motorräder“ – damals ein noch eher dünnes Heftchen, aber für den schmalen Geldbeutel eines Studenten gerade recht, und: es enthielt einen kleinen Anzeigenteil. Dann war da noch die „Oldtimer und Motorrad Chronik“ erhältlich, eine Publikation die auf besserem Papier gedruckt war und eine eher gehobene Klientel ansprach, was man auch an den präsentierten Fahrzeugen erkennen konnte. Beide Publikationen waren von den besten zeitgenössischen Journalisten geschrieben, mit hohem Anspruch, um den Lesern vergnüglichen und informativen Lesestoff zu bieten. Viele der Lichtbilder waren noch in Schwarz-Weiß gedruckt, das war zu damaliger Zeit eine nicht unerhebliche Kostenersparnis um in dem gesteckten Preisrahmen verlagsseitig zu bleiben, damit sich die Hefte auch verkaufen ließen. Heutzutage können wir uns solche monetären Restriktionen nur noch schwer vorstellen, da alles in möglichst Hochglanzoptik das Auge des Betrachters verzücken und beglücken soll.

Ein monatlich fester Bestandteil war das Lesen der Zeitschrift Motor Klassik. Der tief in die Lektüre Versunkene durfte unter keinen Umständen gestört werden
Und dann war da dieses „Motor Klassik„. Vom ersten Moment des Durchblätterns an wusste ich – das ist es. Viele farbige Abbildungen und von Journalisten geschrieben, die man in anderen Publikationen schon einmal goutiert hat. Also die besten Voraussetzungen für eine Erfolgsgeschichte. So kam es, dass jeder Erstverkaufstag, der immer in der Vorschau angekündigt wurde, sorgfältig in den Kalender eingetragen wurde, eigentlich akribischer als die Termine, die während des Studiums zu beachten gewesen wären. Fortan wurde jedes Heft am Erscheinungstag gekauft und die erste Aktion, wenn ich zuhause angekommen war, mich in ein gemütliches Sitzmöbel zu setzen und das Heft zu verschlingen. Das war jedes Mal und über all die Jahre hinweg ein Freudenereignis und ein festgefügtes Ritual. Nicht alle vorgestellten Fahrzeuge sagten mir persönlich zu, das war letztendlich auch egal, diese Artikel kamen dann dran, wenn die Favoriten-Fahrzeuge genüsslich innerlich aufgesogen waren. In den Anfangsjahren hatte auch die Zweiradfraktion ihr Erlebnis, denn es gab Platz und Raum diese in kurzweiligen Berichten vorzustellen.

Der Chefredakteur der ersten Ausgabe von Motor Klassik lud die neue Leserschaft auf das Herzlichste ein: „Steigen Sie ein“. Dem kamen die Angefressenen der Alteisenfraktionen mit Begeisterung nach – aussteigen, das wollte dann doch keiner mehr
Es waren in jeder Ausgabe immer spannende, unterhaltsame und informative Geschichten dabei. Ich erinnere mich noch allzugerne an einen Artikel über den Lanz Bulldog: Er war so brillant und in lustiger Schreibweise verfasst, ich musste bei jedem Lesen immer wieder herzhaft lachen. Wie oft ich ihn in den letzten Jahrzehnten gelesen habe? Keine Ahnung…
Über all die Jahre hegte und pflegte ich meine immer größer werdende Sammlung; ein besonderes Augenmerk wurde jedoch dabei stets auf die allererste Ausgabe gelegt. Sie kam in einen Sammelordner und sorgfältig verpackt, damit ihr ja kein Unheil passieren möge und sie nach bester Möglichkeit geschützt war. Sie erlebte einige Umzüge ohne Schaden zu nehmen und ich nehme diese erste Ausgabe der Motor Klassik auch heute noch gerne in die Hand, um darin zu schwelgen und die Erinnerungen wieder in das Gedächtnis zu bringen.

Dieser Artikel – in dem die Titelmodelle BMW 507, Mercedes 300 SL und der Porsche 356 Carrera 1:43 als Modell vorgestellt wurden – war die Intitialzündung, die in Natura nicht leistbaren Automobile en miniatur in Besitz zu nehmen
Wenn ich das Heft von Zeit zu Zeit zur Hand nehme, ist sofort eine Reminiszenz da, wie es war, als ich das Heft zum ersten Mal in den Händen gehalten habe. Es ist eine Freude an einer ganz besonderen Publikation, die den Anhängern der Oldtimerbewegung stets wieder neuen Stoff lieferte, und bis heute liefert.
Jeder Leser – pardon Sammler – schwelgt auch heute noch in Erinnerungen, wenn er in solchen alten Heften blättert. Meist mit einem wehmütigen Seufzer verbunden, wenn die Kleinanzeigen der zu verkaufenden Fahrzeuge durchgeblättert werden und der Leser sie mit den heutigen Zeitwerten vergleicht: „Ach hätte ich doch damals so ein Automobil nur gekauft, was das heute wert wäre…“, das sind vielfach die leidenden Aussprüche.
Schaut man sich heute in den Zeitschriftenauslagen um, so hat die Geldverdienmaschinerie der Verlage ein immer inflationäreres Ausmaß angenommen und ein nicht unerklecklicher Teil des mühsam Verdienten, kann ohne weiteres für die Lektüren ausgegeben werden. Heute kauft man ein Heft, blättert ein wenig darin, liest nur das was einen interessiert und es wandert auf den meist immer höher werdenden Stapel an gelesenen Zeitschriften.
Früher, da gönnten wir uns eine Mußestunde, wollten von niemandem gestört werden und lasen das Heft von der ersten bis zur letzten Seite durch. Oft auch mehrmals.
Herrliche Zeiten waren das damals.

Auch heute noch ist das Schwelgen in Erinnerungen eine wohltuende Abwechslung, eine – zumindest – kurzzeitige Flucht aus dem immer hektischer werdenden Alltag. Es ist das Schaffen von Sinnoasen, die dem Menschen äußerst bekömmlich sind
Der Chronist dieses Schriftstückes könnte sich bei einem adäquaten Angebot durchaus vorstellen, sich von der Ausgabe des allerersten „Motor Klassik“ zu trennen – schweren Herzens und nur in gute Hände… wohlgemerkt.
Wenn Ihr Interesse geweckt sein sollt – einfach eine E-Mail an:
redaktion [at] klassik-lust.de
Text & Fotos: Ulrich Bänsch